Sogenannte «Tiny Houses» (Aussprache «Taini Hausis») haben uns den Kopf (später ein klein wenig auch unsere Gelenke…) verdreht. Durchgestylte Mini-Häuser, ausstaffiert und drapiert mit allem, was das Alltags- und Überleben ermöglicht und im Idealfall dem Anspruch an einen überschaubaren Luxus gerecht wird: Heizung, Kochgelegenheit, Microbad mit Astronautentoilette und -dusche, Strom, WLAN (10 Mbit/s für Up- und Download reichen hier allemal), Anschluss an Kanalisation und heisses Wasser Warmwasser – nach Gutdünken mit Veranda oder einer wackeligen Hängebrücke zum Pool u. a. m. Fazit:
Unsere Verkäuferin, Frau Schäfer-Mastiff (!) hat fünf Kapsel-Module in petto, die sie – schlau diese Ein-Frau-Firma-Frau – mit drolligen Hunderassennamen fleissig feilbietet; Bezug nehmend natürlich nicht auf die Form, sondern auf die Grösse. 15, 20, 30, 40 oder 45 m² Wohnfläche. Unsere überschaubaren finanziellen Eventualitäten immer im Fokus («Wer soll all dein Bier bezahlen, Urs?!»), entschieden wir uns hoffnungsbeseelt und resolut für das 20-m²-grosse «Chihuahua». Der «Bernhardiner» hätte 5-mal mehr gekostet!
Schon sechs Wochen nach dem Kauf einer passenden Parzelle (55 m²) – billig, da angrenzend an Landwirtschaftszonen und Teil einer Schlafgemeinde – und der Überwindung unvermeidlicher Behördenkletterpfade zogen Urs (das bin ich), Mimi, Inka (Bolonka Zwetna) und Zia (Britisch Kurzhaar) getreu dem Motto «Here we are and stay» ins moduläre Wohnparadies. «Sicher würfelförmig», hatte Mimi angeordnet. «Viel Platz auf wenig Fläche, ideale Raumausnutzung.» Mimi denkt und lenkt: Gut so!
Insbesondere Kia und Inka hatten all die Rückzugswinkel, klitzekleinen Stauraumflächen und Spielgelegenheiten subito aufgespürt. Auch Mimi und ich nützen nach längerer Angewöhnungszeit (die Kurzstrecken erfordern Umdenken und -handeln) die zahlreichen Entfaltungsmöglichkeiten mittlerweile problembefreit. Reichweitenangst kennen wir nicht mehr. Zwei Luken reichen locker für eine lichtdurchflutete Innenatmosphäre. Es sei denn, Inka und Zia machen’s sich ebendort für ein paar Minuten oder Stunden gemütlich. Egal. Dann drücken wir einfach auf den einzigen Lichtschalter. Sofern wir ihn finden…
Böse, böse Zungen in unserem kollegialen Radius unterstellen, kein vernünftiger Mensch könne in unserem Luxus-Kubus, diesem vorinstallierten Hausbau-Paket (IKEA-Gründer Kamprad zwinkert uns aus seinem Grab zu…) existieren. «Wollt ihr damit würfeln, oder was?» «Das verstösst sogar gegen Artikel 1 des Tierschutzgesetzes!» Pah! Ignorantinnen und Weicheier sind das – auf den Keks gehen die mir!
Es ist doch ein immenser Zugewinn an Bequemlichkeit, des Nachts noch albtraumverfolgt und schlaf- oder vom Vorabend betrunken nur 50 Zentimeter (!) vom sog. Bett bis zur Astronautentoilette zu torkeln, um kurz müssen können zu dürfen. Welche Wohnung hat diese Nähe von schlummern und pullern (Pardon...), bitte schön, zu bieten? Eben…
Very wertvoll: Das kompakte Wohnparadies unseres Smallhouses gibt unserer Beziehung einen neuen Kick, lüpft sie auf eine neue Paar verbindende Ebene. Die einzigen beiden Wände sind zugleich Türen, der Rest bedeutet Durch-, Ein- und Kontrollblick. Aber gibt es denn etwas Zusammenschweissenderes für Verliebte, als sich permanent zu begegnen, zu sehen, zu hören, zu riechen? Sicher nicht. Oder?!
Auch das – stimmen Sie zu? – bei Paaren gelegentlich einschlafende oder gar eingefrorene Lust- und Liebesleben (Ist das eigentlich das Gleiche?) kann in der Chihuahua-Schlafnische (Breite: 1.125 m) lange vergessene Höhepunkte (passt…) erklimmen. Aus der umständehalber aufgezwungenen Nähe und gewollten Reduktion aufs Wesentliche ergibt sich dann schon mal jähes, erfreuliches Produktives! Et voilà! Das weckt bei mir Erinnerungen ans Militär: Auch dort musste Mann gelegentlich nachts blind drauflos vorstossen. (…so sorry!) Ein Hoch auf das Leben und die Liebe!
Bleiben wir bei Positivem: Unsere Holzveranda (60 auf 15 cm²) mit Blick auf Wiesen, Wald und Weiden trägt zu Entspannung und Erholung bei: blühende Natur! Je nach Saison blöken rund um die Uhr und unseren Würfel Nachbars Schafe, muhen oder kalben Kühe oder grasen Alpakas. Erlebt man das in einer Innerstadt? Nein, nie und nimmer. Gut gedacht und gemacht, Schäfer-Mastiff!
Wird’s uns vieren vielleicht doch einmal zu eng, bleibt uns ja die Laufstrecke oder Flaniermeile ums sinnvollerweise eingezäunte Tiny. Inka, Zia, Mimi und ich joggen oder promenieren dann (Mimi voraus) unter den staunenden Augen der uns bespuckenden Alpakas im Quadrat. Klaro, machen wir uns (vor allem ich mich) dabei in unserem Bauerndorf ein klein wenig lächerlich – aber zugleich innovativ stark gegen Bevölkerungswachstum, Bodenknappheit und unerschwingliche Mietpreise…
Inka ist zwar schwarz wie die Nacht – unsere (noch) 4-köpfige Familie aber längst bekannt wie ein bunter Hund…